Der Mangel an Fachkräften stellt Österreich und andere Industrienationen vor Herausforderungen: In Unternehmen verschiedener Branchen bleiben Stellen ungewöhnlich lange vakant, und das fehlende Angebot an Arbeitskräften lässt die Personalkosten steigen. Überdies müssen die Kund:innen mit längeren Wartezeiten bei der Bearbeitung ihrer Aufträge rechnen. Der konjunkturelle Aufschwung könnte die Folgen des Personalmangels weiter verschärfen – mit ungünstigen Konsequenzen für die gesamte österreichische Volkswirtschaft. Welche sind die Mangelberufe 2025 und wie können Unternehmen dem Fachkräftemangel in Österreich begegnen?

fachkräftemangel
fachkräftemangel

1. Mangelberufe 2025

Auf den ersten Blick signalisiert die Arbeitslosenquote, die im August 2024 geschätzt bei 6,7 % lag, keinen Mangel an Arbeitskräften. Um von einem engen Arbeitsmarkt zu sprechen, müsste die Quote – je nach Definition – unter die Marke von 4,0 % oder gar 3,0 % sinken.

Der Teufel steckt allerdings im Detail: Der Mangel an qualifizierten Arbeitnehmer:innen ist in Österreich derzeit kein gesamtwirtschaftliches, sondern ein branchenspezifisches Problem. Es herrscht mithin kein allgemeiner Personalmangel, vielmehr fehlt es einzelnen, aber zentralen Wirtschaftssektoren an spezialisierten Arbeitskräften.

Eine im Jahr 2023 im Auftrag der WKO durchgeführte Befragung zeigt, dass es hierzulande an mehr als 210.000 Fachkräften mangelt. In jedem drittem Unternehmen ist der Fachkräftemangel „stark ausgeprägt“ oder „eher ausgeprägt“.

Besonders in den folgenden Branchen mangelt es an qualifiziertem Personal:

  • technische und handwerkliche Ausbildungsberufe

  • IT

  • Finanz-, Buchhaltungs- und Rechnungswesen

  • Tourismus

  • Vertriebswesen

Im medizinischen und pflegerischen Bereich ist der Personalmangel zwar bislang nicht akut, allerdings geben die aktuellen Entwicklungen einen Grund zur Besorgnis: Im zweiten Quartal 2024 stieg die Zahl der vakanten Stellen für Ärzt:innen um 80 % im Vergleich zum Vorjahr. Ebenso sind die Pflegeberufe vom Mangel an Fachkräften betroffen: Derzeit sind rund 320 % mehr Pflegestellen unbesetzt als vor fünf Jahren.

1.1 Mangelberufe 2025 – so bedroht der Fachkräftemangel Österreichs Wettbewerbsfähigkeit

Die im Auftrag der WKO durchgeführte Befragung zeigt, dass der Personalmangel keineswegs Nischen betrifft, sondern Wirtschaftssektoren, die für die Stabilität einer Volkswirtschaft essenziell sind: Fachkräfte in den technischen und handwerklichen Berufen sind unter anderem erforderlich, um die Infrastruktur aufrechtzuerhalten und auszubauen, Bauprojekte zu realisieren und Investitions- und Konsumgüter zu entwickeln und herzustellen. Qualifizierte Arbeitnehmer:innen im IT-Sektor treiben die digitale Transformation voran und stärken die Innovationskraft der österreichischen Unternehmen im globalen Wettbewerb auf einem stetig wachsenden Markt. Spezialisierte Fachkräfte im Finanz- und Rechnungswesen garantieren die Integrität und Effizienz von Finanzprozessen. Sie sind somit unentbehrlich, um die Investitionsbereitschaft aufrechtzuerhalten. Der Tourismus ist besonders für Österreich eine bedeutende Einnahmequelle, sodass fehlende Fachkräfte die Servicequalität mindern, wodurch das Land an Attraktivität einbüßt. Ein Mangel an qualifizierten Arbeitnehmer:innen im Vertriebswesen senkt die Fähigkeit der Unternehmen, die angebotenen Produkte effektiv zu vermarkten. Der sich abzeichnende Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist ebenfalls – insbesondere angesichts der demografischen Entwicklung – besorgniserregend. Der Zustand und die Finanzierbarkeit dieses Sektors beeinflussen maßgeblich die Lebensqualität der Bevölkerung.

2. Die Nachteile einer zu geringen Arbeitslosenquote

Grundsätzlich ist ein niedriger Anteil an Erwerbslosen an der erwerbsfähigen Gesamtbevölkerung erstrebenswert: Eine hohe Beschäftigungsquote deutet auf eine stabile Wirtschaftslage hin, was zu einem wachsenden Wohlstand, üppigen Steuereinnahmen für den Staat und einer Entlastung der Sozialsysteme führt. Dennoch kann sich eine zu geringe Arbeitslosenquote nachteilig auf die Rentabilität der Unternehmen und die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft auswirken. Ökonom:innen sprechen in diesen Fällen von einem „engen“ Arbeitsmarkt.

Übermäßig viele vakante Stellen führen üblicherweise zu steigenden Lohnkosten, da die hohe Nachfrage nach Arbeitskräften auf ein knappes Angebot stößt. Das erhöhte Lohnniveau schlägt sich in den Produktionskosten nieder, die die Unternehmen ganz oder zumindest überwiegend an die Verbraucher:innen weitergeben. Diese Lohn-Preis-Spirale kann inflationäre Tendenzen verstärken und dadurch die reale Kaufkraft der Konsument:innen reduzieren.

Zudem führt der Fachkräftemangel in Österreich und anderen Industrienationen zu Produktivitätseinbußen. Die Unternehmen sind oftmals gezwungen, weniger qualifiziertes Personal einzustellen, was sich nachteilig auf die Produktivität, Qualität und Effizienz auswirken kann.

3. Welche Maßnahmen sind geeignet, um dem Fachkräftemangel in Österreich entgegenzutreten?

Vorweg ist anzumerken, dass dem Mangel an Fachkräften verschiedene Ursachen zugrunde liegen, die die Unternehmen allein nicht beheben können. Zu nennen ist etwa der Umstand, dass handwerkliche und serviceorientierte Berufe in den vergangenen Jahrzehnten zu Unrecht an Ansehen verloren haben. Viele junge Arbeitnehmer:innen verbinden mit diesen Tätigkeiten, die im angelsächsischen Sprachraum als „Blue-Collar-Jobs“ bezeichnet werden, harte und teils gefährliche körperliche Arbeit bei bescheidener Entlohnung. Dabei verkennen sie oftmals, dass auch in diesen Branchen modernste Technik zum Einsatz kommt, die physische Belastung gering bis mäßig ausfällt und die Bezahlung attraktiv ist. Wenn die Arbeitnehmer:innen Weiterbildungsmaßnahmen absolviert und spezielle Qualifikationen erworben haben, können die Gehälter das Niveau von Akademiker-Arbeitsplätzen erreichen oder sogar – dem Mangel an Fachkräften sei Dank – übertreffen. Die Unternehmen können den notwendigen Imagewandel nicht aus eigener Kraft herbeiführen, stattdessen bedarf es dazu eines Zusammenwirkens von privatwirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Akteuren.

Vorrangig sind es jedoch die Unternehmer:innen, die mit den Auswirkungen des Personalmangels umgehen müssen und mit anderen Arbeitgeber:innen um hoch qualifizierte Fachkräfte konkurrieren. Dabei stehen viele österreichische Firmen und Institutionen nicht nur im regionalen, sondern im globalen Wettbewerb um die fähigsten Mitarbeiter:innen.

Im Folgenden finden Sie sieben konkrete Strategien, die Ihrem Unternehmen helfen, sich in diesem schwierigen Wettbewerbsumfeld zu behaupten.

4. Betrachten Sie offene Stellen wie ein Produkt, das Sie bewerben

  • Der Fachkräftemangel verändert die Arbeitswelt und das Machtverhältnis zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen.

  • Unternehmen müssen sich an den Vorstellungen potenzieller Mitarbeiter:innen orientieren, um diese zu gewinnen.

  • Gestalten Sie Stellenausschreibungen wie Werbeanzeigen, die die Vorteile und Alleinstellungsmerkmale des Arbeitsangebots herausheben.

  • Verzichten Sie darauf, Selbstverständlichkeiten wie eine „angenehme Atmosphäre“ oder „faire Bezahlung“ zu betonen.

4.1 Sorgen Sie für eine konstant hohe Mitarbeiter:innenzufriedenheit

  • Authentische Stellenausschreibungen verhindern Enttäuschungen und Kündigungen.

  • Arbeitgeber:innenseitig ist Kompromissbereitschaft bei der Balance zwischen Unternehmens- und Mitarbeiter:inneninteressen gefragt.

  • Betrachten Sie die Mitarbeiter:innenzufriedenheit wie die Kund:innenzufriedenheit, da es – analog zur Neukund:innengewinnung – teurer ist, neue Fachkräfte zu rekrutieren, als bestehende zu halten.

4.2 Bieten Sie Weiterbildungsmaßnahmen an

  • Teilen Sie unternehmensinternes Know-how im Rahmen von Fortbildungen und etablieren Sie eine Weiterbildungskultur.

  • Integrieren Sie Weiterbildungsprogramme in die Lehrlingsausbildung und bieten Sie Quereinsteiger:innen Chancen zur Spezialisierung.

4.3 Orientieren Sie sich an den Bedürfnissen der jüngeren Arbeitnehmer:innengenerationen

  • Die Generationen Y und Z legen Wert auf Nachhaltigkeit, Klimaschutz und die Work-Life-Balance.

  • Neben finanziellen Anreizen sollten Arbeitgeber:innen eine authentische Kommunikation pflegen und familienfreundliche Konzepte anbieten.

  • Die Angehörigen der Generationen Y und Z sind sogenannte Digital Natives. Dementsprechend sollten Unternehmer:innen unter anderem via Social Media auf offene Stellen aufmerksam machen.

5. Die Lehrlingskampagne der ÖBB als Beispiel für zeitgemäßes Recruiting

Im Jahr 2022 gewann die Lehrlingskampagne der Österreichischen Bundesbahnen den Deutschen Preis für Onlinekommunikation (DPOK) in der Kategorie „Recruiting Kampagne“. Der staatliche Eisenbahnkonzern überzeugte die Juror:innen durch einen inspirierten Mix aus Sci-Fi- und Gaming-Elementen sowie eine intuitive Landingpage für den digitalen Bewerbungsprozess. Zudem sprach das Unternehmen potenzielle Bewerber:innen gezielt über Plattformen wie Snapchat und TikTok an, die sich speziell an jüngere Nutzer:innen richten. Mit dem Projekt „Schienenbienen“, das auch im Ausland Beachtung fand, adressierte der Konzern zudem die ökologischen Wertvorstellungen der potenziellen Berufsanfänger:innen aus der Generation Z.

Der Fachkräftemangel bedroht Österreichs Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen müssen kreative Lösungen entwickeln, um qualifiziertes Personal zu finden und langfristig zu binden. Erfahren Sie auf unserem LinkedIn, welche Strategien besonders wirksam sind.

Weitere Artikel zum Thema employee development.

Bleiben Sie auf dem Laufenden über die neuesten Nachrichten, Trends und Berichte zum Thema Personalbeschaffung und Arbeitsmarkt.

Anmelden