Manches Unternehmen scheut eine eigene Fehlerkultur. Die negativen Folgen von Transparenz und dem Zwang, Missstände beheben zu müssen, machen ihnen Sorgen. Dabei sind die Wege zur praktischen Umsetzung oft erstaunlich einfach zu gehen.

  • Die Instrumente, um effizient mit Fehlern umzugehen und sie zu analysieren, sind aus dem Projekt- und Prozessmanagement bereits bekannt.
  • Der offene Umgang mit Fehlern auf allen Ebenen der Fehleranalyse schützt vor weiteren Schäden und Wiederholungen.
  • Unternehmen sind sich der Quellen für Fehler bereits bewusst. Es liegt an der Führung, auf diesem Wissen ein Fehlermanagement aufzubauen.
  • Transparenz schadet nicht. Sie wirkt nachhaltig positiv.

Bert Brecht mag zwar nicht der Erfinder der Fehlerkultur sein, aber sein Meisterstück ist eines der bekanntesten Beispiele dafür. Es ging um eine Französischarbeit am Gymnasium und es ging um die Versetzung. Ein Fehler zu viel hatte ihn die erforderliche Zensur verfehlen lassen. Todesmutig griff er zur roten Tinte und markierte selbst in der Arbeit zwei richtige Stellen als Fehler. Er ging zum Lehrer, monierte die beiden Stellen als irrtümlich angestrichen. Der Lehrer prüfte, fand nichts auszusetzen und annullierte die Fehler. „Dann muss ich aber doch auch eine bessere Note bekommen“, hakte Brecht nach. Der Lehrer sah das ein und korrigierte seinen (vermeintlichen) Fehler. Versetzung gerettet.

Fehler ziehen nicht automatisch Scheitern nach sich

Nun taugt die dreiste Methode des jungen Dichters weder zur Nachahmung in der Schule noch als Inspiration für eine Fehlerkultur im Unternehmen. Sie macht aber deutlich, dass Fehler nicht notwendigerweise ein Scheitern nach sich ziehen, sondern dass sich aus Fehlern immer etwas lernen und machen lässt. Dem Brechtschen Ansatz war zum Beispiel der Versuch eines Klassenkameraden mit Lateinschwäche vorausgegangen, seine Arbeit mit Klingen-Radierung nachträglich aufzuhübschen. Wonach dem Lehrer prompt die lichten Stellen des Papiers ins Auge stachen, was außer der schlechten Note auch noch eine Strafe wegen Betrugs nach sich zog.

Transparenz nimmt zu

Transparenz als natürlicher Feind vertuschter Fehler – ein Prinzip, das sich in Zeiten von Hochgeschwindigkeitskommunikation und Internet noch verstärkt hat: Ähnliche Reaktionen drohen jenen, die eine Verspätung zum vereinbaren Termin mit „Stau“ entschuldigen wollen, während ein Blick in den Online-Staumelder das Gegenteil beweist. Genauso wie das ein Blick in den Menüpunkt „Entgangene Anrufe“ erledigt, wenn einer behauptet, er habe „dreimal bei Ihnen angerufen“.

Wo liegen mögliche Fehlerquellen?

Mit welchen Unternehmensaufgaben befasst sich nun eine seriöse Fehlerkultur? Und aus welchen Elementen besteht sie? Die erste Frage beantwortet, stellvertretend für andere Branchen und Unternehmen, der Bundesverband Deutscher Stiftungen. Er hat 2013 die Studie „Aus Fehlern lernen – Potenziale für die Stiftungsarbeit“ veröffentlicht. Fehler in Stiftungen reichen dabei vom verpassten Termin über das zu hoch gesteckte Projektziel bis hin zur ungünstigen Personalentscheidung. Die einzelnen Mitglieder haben inzwischen begonnen, über solche Fehler zu sprechen – der erste Schritt, um Fehlern eine neue Rolle zuzuweisen. „Durch Austausch über Misslungenes wird aus vielen lernenden Organisationen ein insgesamt lernender Stiftungssektor“, so Prof. Dr. Hans Fleisch, Generalsekretär des Verbands.



Als besonders fehleranfällig werden folgende Bereiche in der Stiftungsarbeit eingeschätzt:

  • interne Kommunikation (30 Prozent),
  • realer Kapitalerhalt (26 Prozent),
  • Rechnungslegung (25 Prozent),
  • Öffentlichkeitsarbeit (25 Prozent),
  • Verwaltung von Adressdaten/ Datenschutz (23 Prozent),
  • Entscheidungsprozess über Förderung/ Umsetzung Projekte (23 Prozent) und
  • Kommunikation mit Kooperationspartnern (20 Prozent).

Mit welchen Mitteln lassen sich diese Quellen austrocknen?

Auch auf die zweite Frage liefert der Bundesverband Deutscher Stiftungen präzise Aussagen, was bevorzugte Instrumente zum Umgang mit Fehlern angeht:

  • regelmäßige Besprechungen (80 Prozent),
  • Evaluation (45 Prozent),
  • regelmäßige Dokumentation (41 Prozent),
  • Leistungsfeedback (31 Prozent),
  • regelmäßige Schulungen/ Weiterbildungen (30 Prozent),
  • Controlling (26 Prozent) und
  • „Lessons-Learned“-Runden (18 Prozent).

Empfehlungen mit allgemeinem Ansatz

Aufbauend auf den Ergebnissen der Studie hat der Verband sechs Empfehlungen für den Umgang mit Fehlern für Stiftungen erarbeitet, die sich jedes Unternehmen zu eigen machen sollte – vor allem KMU-Firmen, die erst am Anfang eigener Prozesse und Strukturen zum Umgang mit Fehlern stehen. Dazu gehört:

  • Fehlermanagement als Führungsaufgabe zu verstehen und
  • Mitarbeiter zu befähigen, über Fehler zu sprechen,
  • Fehlerstrategien gemeinsam zu reflektieren und
  • das Maßnahmenrepertoire zu erweitern,
  • sowie unabhängiges Knowhow einzubinden.
  • Für Organisationen, die keine eigenen hauptamtlichen Fachleute haben, biete es sich an, externes Wissen einzubinden.

Daneben sei es wichtig, stets die eigene Wirksamkeit zu hinterfragen, beispielsweise durch Evaluation.

Einfache Handreichung für Umgang mit Fehlern

Unternehmen, die sich erstmals des Themas annehmen oder ihre bisherige Herangehensweise überdenken wollen, finden ebenso einfache wie klare Empfehlungen in einer Handreichung des Zentrums zur Förderung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts (Z-MNU) an der Uni Bayreuth. Sie ist für das Programm SINUS gedacht, Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts.

Dort heißt es, folgende Ansatzpunkte wären geeignet, eine neue Sichtweise einzunehmen:

  • Fehler vermeiden ist keine brauchbare Lernstrategie.
  • Fehler können Informationen über Vorstellungen und Denkweisen des Schülers geben.
  • Das Vernichten eines Fehlers begünstigt dessen Wiederholung.
  • Die Analyse eines Fehlers trägt dazu bei, diesen nicht mehr zu wiederholen.

Wie lassen sich Fehler in Produktivität wandeln?

  • Auch beim Weg zum produktiven Umgang mit Fehlern weist SINUS die Richtung:

    Schwerpunktverlagerung: Lösungen zu suchen ist mindestens so wichtig, wie Lösungen zu finden.
  • Ideenvielfalt zulassen: Eigene Ideen (auch Irrwege!) enthalten oftmals mehr Lernmöglichkeiten als übernommene glatte Wege.
  • Jede Meinung zählt: Auch (oder gerade) unkonventionelle Ansichten und abweichenden Meinungen sind wichtig und wertvoll.
  • Analyse und Konsequenz: Die Analyse eines Fehlers erschließt neue Erkenntnisse.

Transparenz schlägt Heimlichtuerei

Fazit daraus: Offenheit und Transparenz im Umgang damit entziehen jedem Fehler sein Gift. Mehr noch. Sie tragen dazu bei, die zunächst negativ erscheinende Energie des Scheiterns oder Versagens in positiv wirkende Kräfte umzuwandeln. Noch einmal daher Bert Brecht: „Das Schlimmste ist nicht: Fehler haben. Nicht einmal sie nicht zu bekämpfen, ist schlimm. Schlimm ist, sie zu verstecken.“