Jeden Samstag lese ich den Wirtschaftsteil von „De Volkskrant“ (einer führenden niederländischen Zeitung), in der Frank Kalshoven für seine Kolumne „the game and the marbles“ schreibt. Normalerweise kommt er dabei zu klaren Erkenntnisse, die sich entweder mit meinen Ansichten decken oder diesen widersprechen. So oder so ist die Lektüre stets mindestens ein Lächeln wert.
Wundervoller Sommer?
Vor dem Sommer war Kalshovens Überschrift „CPB beschert der Koalition einen wundervollen Sommer“ (CPB ist der führende Wirtschaftsberater in den Niederlanden). Darauf hatten wir auch alle gewartet – kurz bevor der Großteil der Arbeitnehmer sein Urlaubsgeld für ein paar Wochen Sonnenschein, Meer und andere Freuden ausgibt. Kalshoven bezog sich allerdings auf die neuste Demographie-Studie von CPB. Die Kern-Botschaft dieser Studie war: die Ausgaben der Regierung sind von nun an selbsterhaltend. Eine der drei Säulen hierfür war der Eingriff in das Pensionsantrittsalter. Dieses wird bis 2023 von 65 auf 67 angehoben und anschließend an die statistische Lebenserwartung angepasst. Hochrechnungen führen dadurch zu einem Pensionsantrittsalter von 71,5 bis 2060. Die dadurch verringerten Ausgaben für Pensionen bedeuten mehr Geld in der Staatskasse.
Weiter bis zur Pension?
Die Regierung war in Ihren Hochrechnungen keinesfalls zu optimistisch; man hat eingerechnet, dass nur ca. 50% dieser Zusatz-Jahre bis zum Pensionseintritt auch tatsächlich gearbeitet wird.
Natürlich haben wir diese Quote aber noch lange nicht erreicht: Das Austrittsalter steigt nachdem alle Pläne zur Frühpension gekippt wurden, aber trotzdem ist die Anzahl der Arbeitnehmer, die faktisch bis zum 65. Lebensjahr durcharbeiten, in der Tat eine Minderheit. Das heißt auch, dass die Besetzung von freien Stellen mit älteren Arbeitnehmern noch viel Luft nach oben hat.
Japanischer Respekt vor der beruflichen Herabstufung
Ich war komplett erstaunt und positiv erstaunt, als ich bei meinem letzten Japan-Besuch die Vielzahl an Bewerbungen und neuen Dienstverträgen für Arbeitnehmer im Alter von 55+ und 60+ über meinen Schreibtisch wandern sah.
Kritiker könnten jetzt natürlich sagen, dass die Japaner das auch nötig haben, stellen Sie im Schnitt ja auch die älteste Bevölkerung der Welt. Trotzdem lassen sich hieraus sicherlich einige Lehren ziehen. Meiner Meinung nach basiert dies auf zwei Konzepten:
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Zuerst wäre da das Prinzip „der Gesellschaft zurückgeben“. Ältere Menschen sind darauf vorbereitet, weiterhin in Unternehmen und Organisationen ihren Beitrag zu leisten, gleichzeitig aber auch Platz für neue Generationen zu schaffen. Die berufliche Herabstufung älterer Menschen ist in Japan eine anerkannte Routine. CFOs werden zu Buchhaltern, der Concierge zum Portier etc. Die Gehälter werden entsprechend angepasst, um eine Balance aus Produktivität und Leistbarkeit zu erreichen.
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Dies wäre ohne das zweite Element nicht möglich: Respekt.
Respekt gegenüber älteren Menschen. Dafür, was jemand geleistet hat und noch immer leistet. Unabhängig von Kriterien wie Status, Geld oder grauem Haar.
Die Übersetzung des japanischen Begriffs lautet „Titel -Ruhestand“ („title retirement“).
Wir könnten wir diese Sichtweise auch bei uns in Schwung bringen? Haben Sie Vorschläge, Herr Kalshoven? Wie würde sich eine derartige Idee global schlagen?